Head-Zonen.info
klinische Schmerzphysiologie

Kapitel 1: Historisches

Das Phänomen des übertragenen Schmerzes, der im deutschsprachigen Raum mit dem Begriff der "Head-Zonen" in Verbindung gebracht wird, wurde erstmals im 19. Jahrhundert beschrieben.

    Henry Head
    Photo: G. C. Beresford
Die Literatur dieser Zeit lässt sich in zwei Gruppen einteilen: einzelne Fallberichte und (große) Übersichtsarbeiten. Zu letzteren zählen die Werke von Sir Henry Head und Sir James Mackenzie.

Die Arbeit von Head

Gegen Endes des 19. Jahrhunderts arbeitete Henry Head als Wissenschaftler in verschiedenen Ländern Europas. Während dieser Zeit schrieb er seine Dissertation "On the disturbances of sensation with special reference to the pain of visceral disease", die 1893 erschien. Darin beschäftigte er sich mit hyperalgetischen Hautzonen bei verschiedenen Erkrankungen der inneren Organe.
Zur Jahrhundertwende kehrte er wieder in seine Heimat England zurück und war ab 1896 als Arzt in London tätig.

Im Zuge seiner Untersuchungen ging er wie folgend vor:
Er verglich die Verteilung von Herpes-Zoster Effloreszenzen mit Hyperalgesien der Haut bei Erkrankungen innerer Organe. Bereits zum damaligen Zeitpunkt ging man von einem neuronalen Ursprung der dabei auftretenden Hautveränderungen aus, was später eine bedeutsame Rolle spielen sollte.
Das Ergebnis sind Abbildungen, die wir heute als Dermatom-Karten verwenden. Sie wurden im Laufe der Zeit nur geringfügig verändert. Hansen und Schliack, zwei deutsche Kliniker, haben Heads Dermatomkarten leicht verbessert und heraus kam folgende Abbildungen:

(aus "Segmentale Innervation" von Hansen und Schliack, Verwendung mit Genehmigung der Georg Thieme Verlag KG)

Head untersuchte außerdem Patienten, die an einer Erkrankung der inneren Organe litten mit einer Stecknadel. Er strich mit dem Stecknadelkopf über die Haut und ließ sich berichten, wo dieser Reiz als schmerzhaft empfunden wurde. Zudem klemmte er die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger und konnte so ebenso hyperalgetische Areale identifizieren.
Mit den Befunden erstellte er topographische Karten, worin bestimmten Organerkrankungen charakteristische Zonen kutaner Hyperalgesie zugeordnet sind (Head-Zonen). Innerhalb der Hyperalgesiezonen fand er kleine Areale, deren Schmerzhaftigkeit von den Patienten am stärksten empfunden wurde. Diese Bereiche wurden als Maximalpunkte bezeichnet. Nach seiner Beobachtung korrespondieren sie mit den Bereichen, in denen bei Herpes zoster zuerst die Bläschenbildung beginnt.

Heads Arbeit erschien auch im deutschsprachigen Raum. Eduart Hitzig, Neurologe in Halle, drängte Head zu einer Übersetzung, noch bevor das englische Original erschien. Hitzigs Assistent, Friedrich Wilhelm Seiffer, arbeitete eng mit Head zusammen, um die Übersetzung möglichst akkurat vorzunehmen.

Die Arbeit von Mackenzie

Sir James Mackenzie war ein schottischer Kardiologie, der ebenfalls in London tätig war. Er forschte im Bereich der Kardiophysiologie und des Kreislaufsystems und war als praktischer Arzt tätig. Seine Forschung befasste sich mit Arrhythmien, Pulsen und Blutdrücken - ihm gelang als erster die simultane Aufzeichnung des venösen und arteriellen Pulses. Auch er beschäftigte sich mit verschiedenen Aspekten des Schmerzes, unter anderem der Schmerzübertragung, in seiner Arbeit "Symptoms and their interpretation" (siehe empfohlene Literatur), die eine 4. Auflage erreichte.
Head und Mackenzie forschten unabhängig voneinander, lernten sich allerdings zu einem späteren Zeitpunkt kennen und tauschten Erfahrungen und Ideen aus.

Mackenzie ging anders vor als Head:
Er befragte Patienten mit Erkrankungen der inneren Organe nach ihrem Spontanschmerz und untersuchte sie sowohl auf oberflächlichen Hautschmerz, als auch auf tiefe Hyperalgesie (Palpationsschmerz, v.a. der Muskulatur). Anders als Head nahm Mackenzie jedoch an, dass ein erkranktes inneres Organ selbst nicht schmerzhaft ist (Verneinung des Eingeweideschmerzes). Auch Mackenzie fertigte entsprechend der Beschreibungen seiner Patienten Zeichnungen an, die den Zusammenhang zwischen erkranktem inneren Organ und beschriebenem Schmerz darstellen.
Die von Mackenzie in seinen Darstellungen eingezeichneten Flächen entsprechen grob dem, was wir heutzutage fälschlicherweise als Head-Zonen bezeichnen.

Die moderne Abbildung der vermeintlichen Head-Zonen

Im Jahre 1883 erschien ein von Sir Frederick Treves verfasstes Werk mit dem Titel "Surgical Applied Anatomy". Dieses erfreute sich großer Beliebtheit sowohl in England als auch in anderen Ländern. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt, erreichte mehrere Auflagen und galt für viele Jahre als Standardwerk.
Als Treves an der 4. Auflage arbeitete entschied er sich, ein kurzes Kapitel über viszeralen Schmerz und dessen Übertragung hinzuzufügen. Treves und Head arbeiteten zu diesem Zeitpunkt beide am London Hospital und es wird vermutet, dass die räumliche Nähe zu dieser Entscheidung beitrug.

1914 erschien die erste Auflage in deutscher Sprache. Sie wurde an die deutsche Leserschaft angepasst und neu illustriert. Abbildung 77 (siehe hier) zeigt die "Ausbreitung der Interkostalnerven und Beziehungen derselben zu den inneren Organen". Sie wurde von Otto Kleinschmidt (Assistenzarzt unter Payr) angefertigt und zeigt Zonen, die heute praktisch in allen Lehrbüchern inkorrekt und unkritisch als Head'sche Zonen bezeichnet werden.

Diese wird im Folgenden als "Abbildung nach Kleinschmidt" bezeichnet.

Als Vorlage diente ein Bild aus dem englischen Originalwerk:
https://archive.org/stream/appliedasurgical00trevrich#page/344/mode/2up (6. Auflage der englischen Ausgabe von "Surgical Applied Anatomy"). Der Beleg dafür findet sich im Beschreibungstext: "[...] According to the observations of Dr. James Mackenzie [...]".

Der Ersteller dieser Darstellung ist unbekannt. Unklar ist, auf welche Weise der Zeichner überhaupt zu dieser Darstellung kam. Mackenzie hat keine zusammenfassende Übersichtszeichnung angefertigt, sondern die einzelnen Organe jeweils in einem Kapitel abgehandelt und ggf. durch ein Bild ergänzt.
Ergänzt sei außerdem, dass weder Mackenzie, noch Head jemals eine 1 Organ-1 Segment-Zuordnung postuliert haben.

Die hier vorgebrachten Belege zeigen also, dass ein Bildvergleich zu dem Ergebnis führt, dass die heute als Head-Zonen bezeichneten Darstellungen auf Otto Kleinschmidt zurückgehen, der wiederum eine Zeichenvorlage verwendete, deren Inhalt James Mackenzie zugeschrieben wird (wenngleich diese augenscheinlich zweifelhafte Zuschreibung weiterer Untersuchung bedarf).

Im Folgenden sollen die Darstellungen in den Werken von Head und Mackenzie näher beleuchtet werden, basierend auf Vergleichen der Spinalnervensegmente.

Vergleich der Abbildung mit Head und Mackenzie

2011 haben sich C. Henke und F. Beissner in ihrer Arbeit "Illustrationen zum übertragenen Schmerz", Schmerz 2011; 25:132-139 (siehe empfohlene Literatur) mit dem Gehalt der Head-Zonen in den heute fälschlicherweise als Head-Zonen bezeichneten Flächen auseinandergsetzt. Deren Arbeit diente als Anregung und Basis für die Erarbeitung dieser Webseite. Aufmerksam wurde ich auf sie durch umfangreiche Korrespondenz mit Oberarzt Dr. Helmut Nocke, Institut für Physiologie der Universität Magdeburg (siehe Startseite und Angabe im Quellenverzeichnis).

Sie erstellten eine Tabelle und verglichen die Abbildungen von Head, Mackenzie und Kleinschmidt. Der Vergleich Kleinschmidt mit Mackenzie zeigt eine fast 100%ige Übereinstimmung.

Head beschreibt unter anderem detailliert die sympathische Innervation sowie die Hyperalgesiezonen praktisch aller inneren Organe. In der Abbildung des englischen Originalwerkes von Treves finden sich hingegen nur Angaben für Zwerchfell, Herz, Ösophagus, Magen, Leber / Gallenblase, Dünndarm, Colon, Niere und Hoden sowie die Harnblase. Auffällig ist dabei zudem, dass die Angabe zum Zwerchfell in Heads Arbeit überhaupt nicht erwähnt wird, wohl aber in Mackenzies.

Unklar ist, wieso und ab welchem Zeitpunkt (deutsche) Autoren die Abbildung Kleinschmidts begonnen haben als Darstellung der Head-Zonen zu bezeichnen.

Die Frage nach der Grundlage der Abbildung in Treves Lehrbuch

Betrachtet man die Abbildung nach Kleinschmidt fällt auf, dass ganze Dermatome ausgefüllt und einem Organ zugeordnet werden (Ausnahmen: kleine Kreisflächen für Ösophagus bzw. Blase und perimediane Flächen für Dünndarm bzw. Colon). Wie bereits erwähnt orientiert sich diese Darstellung an jener Abbildung, die auf Mackenzies Arbeit beruhen soll. Dieser hat sich zwar auch mit Hauthyperalgesien befasst, jedoch ging er in großem Maße auch auf den übertragenen Schmerz der "tiefen" Schichten der Körperwand, d.h. vor allem der Skelettmuskulatur ein. Er war sogar der Ansicht, dass es keinen direkten Organschmerz gebe - eine Auffassung, die Hansen und Schliack in ihrem Werk "Segmentale Innervation" (siehe empfohlene Literatur) (erschienen 1962) wiederlegt haben.

Mackenzie hat segmentale Zuordnungen untersucht - und zwar sowohl der Dermatome als auch Myotome. Letztere hingegen haben eine z.T. deutlich andere Ausbreitung als die Dermatome, sie entsprechen den Skelettmuskeln, die von Fasern eines Spinalnervensegmentes versorgt werden.

Vergleicht man nun die Abbildung nach Kleinschmidt mit den Segmentangaben Mackenzies sowie seiner Zeichnungen, entsteht eine Diskrepanz.
Mackenzie hat nicht ausdrücklich von Dermatomen oder Myotomen gesprochen, sondern von Spinalnervensegmenten (in der deutschen Übersetzung als Dorsalnerven bezeichnet).
Basierend auf der Gesamtheit dieser Befunde ist unklar, wie der Zeichner, welcher die Abbildung für Treves Werk mit "[...] according to the observations of Dr. James Mackenzie [...]" beschrieb, dazu kam, seine Darstellung so zu gestalten, wie sie im Buch zu finden ist. Mackenzies Arbeit lässt die Anfertigung einer Zeichnung in dieser Form nicht zu.

An zwei Beispielen soll im Folgenden der Vergleich, den Henke und Beissner vornahmen, ausführlicher dargestellt werden.

a) akuter Myokardinfarkt:

Schmerzübertragungen in die Haut und / oder tiefe Zonen finden sich sehr häufig, wobei auch stumme Infarkte möglich sind. Ob und inwieweit nur Myotome oder nur Dermatome betroffen sind, lässt sich auf Grund der häufig sehr heftigen Symptomatik ("Vernichtungsschmerz") kaum trennen. Zu beobachten ist jedoch, dass seitens der Patienten und in Lehrbüchern Angaben vom medialen Oberarmbereich, über die Schulter, den Thorax, bis an die 12. Rippe heran zu finden sind. Manchmal über die gesamte Fläche, manchmal nur einen Teil davon.

Kleinschmidt verwendet bei Erkrankungen des Herzens die Dermatome Th3 und Th4. Für Mackenzie werden C8, Th2, Th3 und Th4 angegeben. C8 steuert u.a. Fasern zum Plexus brachialis sowie den Musculi pectoralis major et minor, latissimus dorsi und serratus posterior superior bei.

Diese Muskeln, wenn auf die Körperoberfläche projiziert, ergeben eine Fläche von der Innenseite des Oberarms über die Fossa infraclavicularis, Regio axillaris, Regio pectoralis und Regio inframammaria. Dass innerhalb dieser Fläche (aber nicht notwendigerweise auf der ganzen verteilt) bei einem akuten Myokardinfarkt Spontanschmerz auftreten kann, ist bekannt.
Dass hingegen der Schmerz nur in den Dermatomen Th3 und Th4 beschrieben wird, wie es nach Kleinschmidts Abbildung der Fall sein sollte, entspricht nicht der klinischen Erfahrung.

b) Verdauungstrakt

Nach Mackenzie werden für den Dünndarm Th10 und das Colon Th11 und Th12 angegeben. Kleinschmidt zeichnete eine beidseitig gleichsam ausgeprägte Fläche in die Dermatome Th10 für den Dünndarm und Th11 für das Kolon ein. Schmerzen zeigen sich bei Erkrankungen des Dünndarms aber eben nicht nur in dieser umbilikalen bzw. medioumbilikalen Region.

Vielmehr können diese über dem gesamten Abdominalbereich auftreten, mit gewissem Fokus entweder zur Mitte oder zu einer Seite hin. Th10 trägt, genauso wie Th11 und Th12 mit seinen Fasern zur Innervation der Musculi transversus abdominis, obliquus internus et externus abdominis und rectus abdominis bei. Deren Lage entspricht auf die Körperoberfläche projiziert einer Fläche, auf der (entweder gesamt oder teilweise) Schmerzen beschrieben werden. Die Beschränkung der geschilderten Schmerzen auf die eingezeichneten Dermatomflächen ist selten. Auch hier gilt: die Beschränkung nur auf die angegebenen Dermatome in der Zeichnung trifft nicht zu.

Dies bezieht sich auf den übertragenen Schmerz. Im Magen-Darm-Trakt kommt es auch zu direktem Organschmerz, z.B. auf Grund mechanischer Reizung (Verstopfung, Entzündung, Trauma u.a.). Dieser soll jedoch insgesamt seltener sein.


Darauf aufbauend ließe sich, wenn man den Gedanken fortführte, noch ein weiterer Beleg anbringen: die Mackenzie zugeordneten Segmentangaben beziehen sich auf einige Zervikalsegmente sowie die Hälfte der Thorakalsegmente. Head hingegen beschrieb einen Zusammenhang von Organen mit allen Spinalnervensegmenten.
Übertragene Schmerzen finden sich bei Patienten mit Erkrankungen der inneren Organe über die gesamte Ventralfläche des Rumpfes verteilt. Nach der Kleinschmidt'schen Abbildung wären Schmerzen aber nur auf etwa 30% der Fläche überhaupt zu finden.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die bekannten Druckpunkte (McBurney, Boas u.a.) schmerzhafte Muskelareale sind, die spezifischen Mackenzie-Punkten entsprechen. Diese Erkenntnis geht auf Hansen und Schliack zurück.


Heads und Mackenzies Arbeit als Meilenstein

Die größte Errungenschaft Heads und Mackenzies war es, übertragene Schmerzen erstmals wissenschaftlich untersucht zu haben. Ihre Beobachtungen sind auch im Laufe von über 100 Jahren nicht widerlegt worden.

Abgesehen von dieser Leistung haben beide auch in anderer Weise zum Fortschritt ihrer Zeit beitragen. Mackenzies Arbeit auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Physiologie hat den Weg für weitere Errungenschaften geebnet, des Weiteren beschrieb er sehr ausführlich die unterschiedlichen Qualitäten des Schmerzes und nahm Unterscheidungen in die verschiedenen Tiefen der Schmerzübertragung vor (oberflächlich, subkutan, "tief").
Head hat außerdem einen Beitrag geleistet, der von ganz elementarer Natur ist: durch Untersuchung von Patienten, die an Herpes Zoster erkrankt waren, hat er erstmals Dermatome akkurat beschrieben. Zwar haben andere dies bereits in früheren Zeiten versucht. Sie verwendeten jedoch andere Krankheitsbilder: Querschnittslähmungen, Poliomyelitis oder auch Phänomene bei Erkrankungen der Spinalwurzeln. Diese ergeben jedoch häufig keine oder keine so genaue Abbildung der Dermatome auf der Hautoberfläche.
Auch in späterer Zeit haben sich andere daran versucht, wobei unklar ist, warum sie nicht auf Heads Arbeit zurückgriffen. Hansen und Schliack erwähnen in dem Zusammenhang Namen wie Spatz, Müller, Richter oder Elze, deren Arbeit in Vergessenheit geraten sind, da ihre Methodik in der Ermittlung der Dermatome Unzulänglichkeiten aufwiesen und in letzter Instanz falsche Karten hervorbrachten.
So erwähnen sie u.a. Richter, der fast ausschließlich Patienten in der Neurochirurgie herangezogen hat. Die Dermatome der Extremitäten waren durchaus genau, die Rumpfdermatome waren jedoch falsch (Th4 wurde hier unter der Mamille dargestellt). Hansen und Schliack haben in ihrem Werk noch weitere Beispiele genannt.

Ein weiterer Ansatz der Ermittlung und Visualisierung der Dermatome war anatomischer Natur. Durch Präparation aller Nerven sollten deren Versorgungsgebiete dargestellt werden. Das scheitert jedoch an mehrerlei, wie Hansen und Schliack betonen:
  • anatomisch lassen sich Dermatome wohl nur unzureichend bestimmen, da die Spinalnerven nicht bis in die Epidermis, sondern praktisch nur bis in die Subkutis verfolgbar sind - diese Aussage geht auf Elze zurück
  • präparatorisch lassen sich praktisch nie alle Wurzelfasern (auch die feinsten) komplett bis zum Erfolgsorgan darstellen
  • physiologisch weiß man, dass es zu Interaktionen zwischen Nervenversorgungsgebieten kommt, die sich nicht in einer anatomischen Dimension wiedergeben lassen (rezeptive Felder), dies fließt jedoch durch den deskriptiven Charakter der Arbeiten von Head und Mackenzie in die Kartierung mit ein
Hinzu kommt, dass die Beobachtung an Patienten sehr einfach möglich und zu dokumentieren ist. Demgegenüber dauert die akkurate Präparation eines Leichnams ggf. mehrere Wochen und ist nur von geringem empirischen Wert: gerade im Bereich der feinen Nervenverästelungen sind nicht einmal ausreichend statistisch gesicherte Normverläufe bekannt, sodass beim Einzelnen nicht klar ist, ob es sich um einen gewöhnlichen Verlauf, eine anatomische Variation oder eine pathologische Abweichung handelt.
Ein einzelner Arzt kommt in seinem Berufsleben mit mehreren zehntausend Patienten in Kontakt. In der gleichen Zeit könnte ein Anatom nur einen Bruchteil an Präparationen durchführen. Angaben zu Dermatomen, die auf Präparationen beruhen, sind daher mit Vorsicht zu betrachten.

Ganz frei von Kritik lassen sich die Karten von Head allerdings auch nicht sehen. Seine Darstellung der Dermatome an den Extremitäten basierte ebenfalls auf Zosterfällen. Diese sind jedoch zur Beobachtung an den Extremitäten nur bedingt geeignet, zudem mangelte es ihm in diesen Bereichen an der nötigen Strichprobengröße (er hatte zu wenige Fälle). Jahrzehnte später haben Hansen und Schliack diesen Umstand erkannt und eigene Dermatomkarten auf Grund von breit angelegten Untersuchungen an Fällen von Bandscheibenprolapsien erstellt.
Dadurch stehen vergleichsweise genaue Dermatomkarten zur Verfügung (siehe unter Tabellen und Karten). Dennoch kann es keine 100%ig zutreffenden geben die für alle Menschen und ihre individuellen anatomischen Variationen (= nicht-pathologischen Normabweichungen) Gültigkeit haben.





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